Chinatatagebuch 2015

(Teil 1) Nach Dieters Worten sind die Samstagskicker die einzige Freizeittruppe der Welt, die sich einen eigenen Südostasienkorrespondenten leisten kann. Hier ist er wieder tätig. Wegen Eurer hohen Ermattungsgefahr, die ich noch vom Fussballspielen her kenne, erzähle ich in ganz kleinen Häppchen.
Mein Bericht beginnt mit den Reisevorbereitungen. Ich hatte vor - und bin auch mitten drin - drei Tage in Beijing (wir Chinesen sagen so für Peking) bei einem ehemaligen Studenten und jetzigem Doktoranden zu verbringen. Danach wollte ich für weitere drei Tage zu einer ehemaligen Doktorandin (aus Hagener Tagen), jetzt Professorin, nach Lanzhou im Nordwesten Hauptstadt der Provinz Gansu, s. beigefügte Karte) reisen. Den restlichen Monat wollte ich Vorlesungen in Nanchang (Hauptstadt der Provinz Jiangxi, gut im Süden) halten. Schon der erste Anlauf für das Visum war vergeblich. Der Stempel der einladenden Fakultaet fehlte. Ich habe mit dabei noch nichts gedacht, hatte ja 50 Tage - vorher geht nicht - vor Abflug eingereicht, liess mir also eine neue Einladung kommen. Auch diese war plötzlich nicht mehr genehm. Man hatte entdeckt, dass die Einladung meine Vorlesungen enthielt. Das hätte sich als bezahlte Arbeit deuten lassen. Also bat ich die Uni um eine dritte Einladung ohne Vorlesungen. Wahrscheinlich unter Fluchen wurde mir diese zugeschickt. Dabei rennt natürlich so langsam die Zeit davon. Aber - oh Wunder - ich erhielt eine Zusage per email. Frohen Herzens reiste ich daher auf eine Konferenz nach Hamburg. Schon am Tag darauf rief meine Frau an: Die Zusage war zurückgenommen worden; man hatte die jeweils drei Tage in Beijing (wo ich sowieso landen musste) und in Lanzhou entdeckt. Ich könnte ja auch dort Geld verdienen. Darauf hin erklärte ich, dass es sich um Besuche bei ehemaligen Doktoranden, Studenten... handelte und um weitere Zusammenarbeiten. In diesem vierten Anlauf erhielt ich die Zusage. Jetzt war aber Feuer unterm Hintern. Erst auf Druck und nach eigener Zuzahlung - dabei immer schön abgewartet, ob das Geld auch da war - wurde der Pass mit UPS geschickt. An einem Freitag. Am Samstag morgen bin ich dann in den Zug gestiegen.
Mit der letzten Zusage war eine Aufforderung zur Bewertung der Visastellen-Arbeit angegeben: www.1avisum.de/Bewertung Ich habe eine ehrliche, daher miserable Bewertung zurückgeschickt. Leider ist diese bis heute nicht erschienen. Ich wundere mich, weshalb. Es sind nur hervorragende Bewertungen zu sehen. Ich habe angefragt, ob die Bewertungen dort selbst geschrieben wurden, um den Kunden lästige Arbeit zu ersparen.
Mir wurde später von kundigen Leuten erzählt, dass das merkwürdige Verfahren politische Hintergründe hat, weniger, was mich betrifft als vielmehr die allgemeine Lage. Ich berichte später darüber, aber bis dahin werde ich wieder in Deutschland sein.
Inzwischen habe ich die Stationen Beijing und Lanzhou hinter mir; sobald ich an meine Photos rankomme, berichte ich wieder.

Euer Südostasienkorrespondent
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Bejing
Beijing, China
Lanzhou
lanzhou, China
Nanchang
Nanchang, China
Zhangye
Zhangye, China
Lu Shan
Lu Shan, Juijiang, China
Poyang Su
Poyang Su, China
(Teil 2) Meine erste Station in China war naturgemäss Peking, das ja einige von uns Fussballspielern aus eigener Anschauung kennen. Ich habe bei dieser Gelegenheit einen ehemaligen Studenten (auf dem letzten Bild) besucht, den ich in Nanchang betreut habe (oder eher er mich). Wir haben die üblichen Sehenswürdigkeiten besichtigt - die Grosse Mauer, das Labor der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, wo er promoviert, den Sommerpalast, den Winterpalast und den Platz des Himmlischen Friedens. Zum Winterpalast muss ich etwas sagen: Er was als eines der ersten Gebäude im Europäischen Stil erbaut worden. 1860 drangen vereinte Englisch-Französische Truppen auf dem Gelände ein - aus welchem Anlass auch immer, der Grund aber Gier und Zerstörungslust - und raubten, was das Zeug hielt. Schaut Euch das Trümmerfeld an. Es soll bewusst nicht wieder aufgebaut werden. Victor Hugo hat das Ganze angeklagt, die Chinesen haben ihm dafür ein Denkmal auf dem Gelände errichtet. Ich wundere mich, dass die Deutschen diesmal nicht dabei waren. Sonst hatten sie eine Kolonie und das grosse Maul (Willi 2 im Boxerkrieg). Wir haben aber auch eine gute Presse in China: Ein deutscher Geschäftsführer namens John Rabe hat Ende der Dreissiger über zweihunderttausend Chinesen in Nanjing vor den mörderischen (wörtlich!) Japanern gerettet (Es gibt in Nanjing einen Hügel mit den Leichen von Hunderttausenden Chinesen, mit Frauen und Kindern). Diese Rettung ist unvergessen. Man muss sich klarmachen, wie gefährlich für diesen Mann die Situation war: Zuhause seine Dienstherren, die Nazis, und eine Aktion, die gegen die verbündeten Japaner gerichtet war. Wie die Geschichte meist zynisch endet, starb er in großer Armut.
Nach zwei Tagen ging es weiter nach Lanzhou, das als nächstes drankommt. Zu den Bildern...

Euer Südostasienkorrespondent
(Teil 3) Die Reise nach Lanzhou war für mich ein Wiedersehen mit einer ehemaligen Doktorandin aus Hagener Tagen. Dieselbe war schon Professorin, aber ohne Doktortitel. Nach chinesischem Recht war das möglich. Wegen der internationalen Angleichung war aber der Erwerb eines Titels vorteilhaft. Ich hatte eine Stelle frei, die die Dame dann auch angenommen hat.
Lanzhou liegt im Nordwesten, und es gilt eine Regel in China: Je weiter westlich (und auch nördlich) desto ärmer. Die Provinz Gansu erscheint regelmässig unter den drei ärmsten des Landes. Aber dafür ist sie wunderschön in ihrer Rauheit und Herbheit. Sie weist auch schon einen hohen Anteil an (moslimischen) Minoritäten auf, den sogenannten Uiguren. Die sind sofort erkennbar an ihrer weissen Kleidung und einer konservenbüchsen-ähnlichen Kopfbedeckung. Sie gelten als erfahrene Kaufleute, besonders im Gastgewerbe. Sie sind auch berühmt als Nudelbäcker. Ich bin nie ganz klargekommen, wie sie unter den Han-Leuten (Chinesen) integriert sind. Mir wird versichert: besser könnte es nicht sein. Ich traue der Sache nicht so ganz, wir lesen ja immer wieder von Angriffen von Muslimen.

Wir fuhren zusammen 700 km mit dem Zug nach Zhangye. Diese Stadt - oder ihre Umgebung - hat fast dicht nebeneinander zwei landschaftliche Sehenwürdigkeiten, die mich stark an den SW der USA erinnert haben. Es gibt eine gleichwertige Ausgabe der "painted desert" und der "shiprocks" von Utah. Die erste sind Sandsteinformationen im Farbwechsel rot-weiss-rot usw.. Ein herrliches Schauspiel, das aber leider mit den Jahren die Intensität verloren haben soll. Für mich war es immer noch schön genug. Ich füge hier einige Bilder bei. (Sandsteinfärbung, Bergwüste, Wüstenblumen, Höhlengleichnis - letzteres Bild hat mich an das Höhlengleichnis aus der griechischen Philosophie erinnert, Kamelreiten). Der zweite Höhepunkt waren steinerne Türme, die dadurch entstanden sind, dass eine witterungsbeständige Platte als Dach die Erosion darunter verhindert hat, während die Nachbargebiete weggetragen wurde. Das zeigen die restlichen Bilder. Wunderschön ist ein steinernes Kamel und eine Formation, die als Louvre bezeichnet wurde. Ein letztes Bild zeigt mich mit einer Vertreterin einer Minorität, der Uiguren (nie gehört, aber sehr malerisch), die eng auf diesem Raum beschränkt ist. China hat im Übrigen über 50 Minoritäten. Ich habe dieses Bild auf Skype montiert und prompt hat meine Frau gefragt, ob ich inzwischen eine chinesische Freundin habe. Zu den Bildern ...

Euer Südostasienkorrespondent
(Teil 4) Inzwischen in ich wieder in Nanchang gelandet. Das stimmt zwar wörtlich, aber nicht im übertragenen Sinn. Ich bin nämlich in Lu Shan (Mt. Lu) gelandet. Ich kam gerade an den Tagen des chinesischen Nationalfeiertages an und so wurde beschlossen, dass drei Männer (Leiter der Schule für Solare Energiesysteme, ein Assistenzprofessor und ich) nach Lu Shan fahren sollten. Dieser Berg hat alles in sich. Etwa 30 x 30 km2 gross, im Norden vom Yang Tse, im Osten vom Poyangsee begrenzt (Den habe ich vor fuenf Jahren beschrieben!) Vielleicht 1700 m hoch. Extrem teures Urlaubsgebiet, 5 - 10 Grad kühler als im heissen Sommer Südchinas. Extrem frühe vulkanische Reste, Eiszeitspuren von Gletschern, darunter verbliebene Seen, Pegmatit (was ich den Studenten als Rohmaterial für die Herstellung von mikrokristallinem Silizium beibringen wollte), alles davon ausgestellt in einem ersten Museum. Ich hatte einmal die Absicht, nach der Pensionierung Geologie und Mineralogie zu studieren. Hätte ich es nur gemacht! Hier wäre ich voll auf meine Kosten gekommen. Aber auch mein geringer Bildungsgrad in diesem Fach hat mir tiefe Eindrücke hinterlassen; ich habe sogar Ähnlichkeiten mit der Geologie des Schwarzwaldes entdeckt.
Noch interessanter ist die soziale Historie des Lu Shan. Ein englischer Missionar namens Little luchste ca. Mitte des 19. Jhrh. der Regierung erhebliche Flächen Land ab, die er dann bebauen liess. So entstand die erste westliche Stadt in China, praktisch nur von Europäern bewohnt. Eine Zeitlang blühte reges Leben. Unter anderem erwarb die Frau von Chiang Kai Sheck eine Villa (Diese Dame müsst Ihr Euch merken. Sie ist eine von drei Schwestern, die alle die mächtigsten Männer Chinas heirateten). Nach der Wende übernahm die KP das Gelände, unter anderem eine Kirche, in der sie tanzen liess. Ich hörte einen Kommentar, dass Gott wohl sehr tolerant sei, weil er keinen Blitz einschlagen liess. Weiter wurde auf dem Lu Shan ein Film gedreht, der die Romanze einer rückgekehrten Auslandschinesin mit einem Einheimischen zeigt. Dieser Film soll eine starke soziale Sprengkraft bewirkt haben, er wird im dortigen Kino (s. Bild) seit Jahren gezeigt und ist deswegen ins Guinessbuch gekommen. Ebenfalls war hier heimisch die Familie Sydenstricker als Missionare. Die Tochter heiratete später einen Hr. Buck und erhielt dafür den Nobelpreis. Genauer: Für ein Buch, das ihr tiefes Verständnis für China zeigte. Deswegen liess sie sich auch später scheiden. Natürlich hat auch Mao mehrere Häuser (heute eines davon das zweite Museum) dort erworben, ich finde aber die Bilder im Moment nicht und trage sie vielleicht später nach.
Bei der Heimfahrt haben wir noch die grösste Buddhastatue der Welt mitgenommen (nicht wörtlich), ganz in der Nähe. Ich hatte sie vor fünf Jahren schon während des Baus gesehen, sie hat sich wenig verändert.
Einige Bilder zeigen mich auch noch in Vorlesungen. Heute habe ich dazu die Prüfungen abgenommen. Die gute Seele, die ich bin, hat keinen durchfallen lassen. Zu den Bildern ...

Euer Südostasienkorrespondent
( Teil 5 ) Inzwischen bin ich wieder ans Ende meines Aufenthaltes angelangt und es ist Zeit, ein kleines Fazit zu ziehen. Ich möchte mit den Dingen beginnen, die mir nicht gefallen haben, und wo ich am Ende auch riesige Probleme sehen. Zuerst die Passwütigkeit: Wo ich gehe und stehe, muss ich den Pass zeigen. Ihr habt sicher belächelt, dass ich auf den Photos einen Brustbeutel trage. Das ist aber alles andere als dumm. Eine Bahnfahrkarte zu kaufen, ein Hotelzimmer zu beziehen, in einen Nationalpark zu gehen oder schlicht manches Museum zu besuchen, geht nicht, ohne allenthalben den Pass zu zeigen. Wenn ich frage, weshalb, heisst es immer: Die Terroristen. Das eigene Volk? Ein anderes Problem besteht darin, dass sich keiner um irgendetwas kümmert. Dieses Irgendetwas ist zum Bespiel das Apartment-Gebäude, in dem ich wohne. Ich vermute, dass es vor ca. 20 Jahren erbaut wurde und den Stolz der Universität darstellte. Ich gebe ihm noch fünf bis zehn Jahre. Im Badezimmer könnte ich das Wasser aus dem Waschbecken direkt auf den Boden leiten, die Verrohrung ist weg. Die Duschhalterung ist weg. Der Kühlschrank ist weg (Entschuldigt bitte meine einfache archaische Wortwahl). Wo der war, ist 2 mm Dreck nicht mehr wegzukriegen. In der Küche sind die Silikondichtungen unrettbar verschimmelt. Die Fliesen verdrecken, ohne dass sich dort jemand aufgehalten hat. Die Spüle hat 1 mm Dreck, der nicht mehr wegzukriegen ist. Das Sofa und zwei der vier Stühle verfallen in Fetzen und verdrecken den Boden. Der Stuhl am Schreibtisch hat zumindestens noch einen Arm. Die Schränke, Regale usw. sind alle verzogen. Der Fernseher hat keine Programme mehr... ..Der Grund dafür ist ganz einfach und erscheint auch bei uns. Ein Politiker wird nur beim Richtfest eines neuen Gebäudes photographiert, für die Instandhaltung eines Gebäudes nicht.
Eine ganz andere Beobachtung - fast eine Sorge - treibt mich auch um. Es hat sich eine kritische Grundstimmung im Land entwickelt. Zuerst ist zu nennen der Blick auf die eigene jüngste Historie. Es werden aber auch die gegenwärtigen Entwicklungen hinterfragt. Wenn ich hierzu ein Beispiel nenne, dann immer unter der Voraussetzung, dass ich die genauen Hintergrunde und Richtigkeit nicht nachprüfen kann. Es handelt sich dabei um das Schicksal eines hochrangigen Wissenschaftsmanagers, der zuerst unter Korruptionsverdacht in Sonderhaft der Partei gehalten wurde. Dabei soll er physischem und psychischem Druck ausgesetzt worden sein, mit Blendlicht und Bedrohung der Familie. Danach soll er einem ordentlichen Gerichtsverfahren unterzogen worden sein, bei dem merkwürdige Einzelheiten herauskamen; Zeugenaussagen bezogen sich auf Daten, die nicht existierten, nachgebessert wurden und wieder nicht existieren usw. Man munkelt darüber, ob ein Racheakt eines lokalen Politikers im Spiel ist, oder besser dessen Frau, die über den Manager verspekuliertes Geld wieder reinholen wollte. Über solche Affairen und wie sie zu beheben sind, wird sehr grundsätzlich und mit erstaunlicher Offenheit geredet. In letzter Konsequenz wird die Systemfrage gestellt. - Korruption soll im Übrigen immer noch sehr verbreitet sein.
Ein Nachtrag zu meiner Visa-Geschichte: Man nimmt an, dass sich die Universität zu sehr auf den pragmatischen Flügel hin bewegt hat. Die Spekulation geht weiter: Man wollte verhindern, dass ein Vertreter aus dem Westen diese Richtung unterstützt.
Einer meiner Alpträume war der Ausfall des elektrischen Stroms. Man muss ihn vorauszahlen. Bei den letzten Aufenthalten war er zweimal ausgefallen - das Konto war überzogen. Ich habe mir vorgestellt, wenn das in der Nacht vor meinem Rückflug passiert. Da muss ich um 4:30 aufstehen und finde nichts. Diesmal bin ich auf das Konto meines Vorgängers gebucht worden. Eine Weiterzahlung war bis zum 16. nicht möglich, da die Buchungsmaschine bis dahin ausgefallen war. Nun war sie aber schon am 15. Wieder in Ordnung und allen negativen Konten wurde der Strom gesperrt. Ich kam am Abend nach Hause ins Dunkle. Alle Angestellten waren natürlich weg. Darauf hin habe ich mir zuerst einmal Kerzen gekauft. Ich habe auch gut daran getan. An einem Nachmittag kurz darauf ist wieder der Strom ausgefallen. Ich war zuerst sauer, da ich 100 Yuan vorausbezahlt hatte. Dann habe ich aber gemerkt, dass das ganz Viertel keinen Strom hatte. Das soll häufig vorkommen und 10 Stunden dauern. War auch so. Damit konnte ich mein Fahrrad – wegen Diebstahlgefahr im Apartment geparkt – 10 Stockwerke nach unten schleifen. Nachtrag: Nachdem ich diese Zeilen geschrieben hate, fiel der Strom erneut aus.

Wegen der offensichtliche Devise zur privaten Bereicherung werden auch unfeine Mittel angewandt. Auf dem Lu Shan wollte ich Obst kaufen. Die Verkäuferin verlangte mir den doppelten Preis, bis meine beiden chinesischen Begleiter empört eingriffen. Es war eine peinliche Szene für alle Beteiligten, auch für mich. - Im Waschbereich des Zuges mit Dreierbecken schaute ich einmal nur kurz auf den Gang, schon war mein Etui mit Schweizermesser geklaut.
Lärm ist ein riesiges Problem. Der Verkehr ist ein einziges Gehupe, auch tief in der Nacht. Morgens um 6:00 Uhr werde ich durch einen Lautsprecher vom nahen Sportplatz geweckt. Hunderte von Studenten üben irgendwelche Formationen für irgendwelche Feste, eine Stunde lang schön durch den Lautsprecher dirigiert. Wir faulen Akademiker sind ja notorische Langschläfer und daher besonders empfindlich.

Nun will ich aber auch über die Dinge reden, die mir gefallen haben. Immer wieder ist es das chinesische Volk. So freundlich, so liebenswürdig, so hilfsbereit. Wenn ich im Laden auf Englisch nach etwas frage, kommt zuerst ein verschämtes Kichern, aber dann sofort das Bemühen, mir zu helfen. Rasch sammelt sich eine Traube von Freunden und Freundinnen, die gemeinsam beratschlagen, was der fremde Teufel wohl will. Am Ende herrscht neben Erleichterung ein gewisser Stolz, es geschafft zu haben.
Was ich im Folgenden bespreche, mag mir den Vorwurf der sozialen Härte einbringen, ist es aber nicht. Ich habe hier gesehen, dass Studiengebühren von grob 20.000 Yuan p.a. zu berappen sind. Doppelverdiener – und das sind praktisch alle chinesischen Paare – bringen im Schnitt 90.000 Yuan p.a. nach Haus. Wie ich erzählt habe, dass Studieren in Deutschland kostenfrei ist, ernte ich ungläubiges Staunen. – Es ist leicht gesagt, dass ein Studium kostenfrei sein sollte. Ich sehe zwar schon die Gefahr der Abschreckung für weniger Betuchte. Ist es aber gerecht, dass die Studierenden, die meistens Kinder von Gutverdienenden sind, von den Ärmeren subventioniert werden? Es gibt Zahlen, was ein Studienplatz kostet, sie sind erschreckend hoch.
Mit meinen Kollegen diskutiere ich medizinische (!) Probleme bis in jede Einzelheit. Nie gibt es da eine Haltung, dass man den oder jenen Punkt auslassen soll. Jeder geht dann getröstet nach Haus, dass das eigene Leiden doch nicht so schlimm ist. - Ich erkenne auch eine Grundfröhlichkeit in diesem Volk. Wenn man die jungen Leute sieht, sind sie immer frohgemut, nie mürrisch. Auch fleissig, wie ich bei den Abschlussprüfungen feststellen durfte.
Der Abschnitt über die weniger schönen Seiten scheint, aber nur scheint, den über die schönen zu überwiegen. Ich versichere, das dies nicht der Fall ist. Die Herzlichkeit diese Volkes ist überwältigend.

Damit endet mein diesjähriger Bericht; ich hoffe, einige von Euch bei einer Doktorprüfung im November wieder zu sehen,

Euer Südostasienkorrespondent